Tischner’s ausgesuchte Gedanken

Über mich selbst

  1. Manchmal muss ich darüber lachen, dass ich zuerst ein Mensch bin, dann Philosoph, dann lange, lange nichts und erst dann Priester.
  2. Ich möchte als jemand bertachtet werden, der eine bestimmte Denkart anbietet. Ich hätte es sogar lieber, in erster Linie als Denker angesehen zu werden und erst an zweiter Stelle als Priester, Geistlicher, der ein Opfer darbringt. Ich möchte vor allem den breiten Horizont des christlichen Denkens vertreten.
  3. Wenn ich meine Arbeit als Priester und Philosoph betrachte, dann ertappe ich mich dabei, dass ich in diesen vielen Jahren hauptsächlich an der menschlichen Hoffnung gearbeitet habe. An der Liebe anderer arbeitet der Mensch nicht, denn jeder muss selber an seiner Liebe arbeiten. Ehrlich gesagt, hat es ebenfalls wenig Sinn, am Glauben zu arbeiten, denn es ist Gottes Gnade: entweder man hat sie, oder – leider – nicht. An der menschlichen Hoffnung muss man hingegen vom Kindergarten an über die Schule bis hin zum Erwachsensein in verschiedenen Lebenssituationen immer arbeiten.
  4. Die Welt gefällt mir zu gut, als dass ich sie verändern möchte. Ich bin wie ein Arzt, der anstatt eine Krankheit zu heilen, seine Doktorarbeit über diese Krankheit schreibt.

Vom Glauben und Unglauben 

  1. Der Glaube ist im Grunde genommen eine traurige Notwendigkeit. Könnten wir über Wissen verfügen, bräuchten wir keinen Glauben. Das Problem liegt darin, dass wir kein Wissen erwerben können. Es gibt Dinge, die die Möglichkeiten des menschlichen Verstandes übersteigen. Es gibt Licht, das blendet. So ist es mit Gott.
  2. Es gibt zwei Wege, sich für Gott zu öffnen: Die einen brauchen dafür ein Unglück, die anderen – im Gegenteil – den Geschmack des Glücks. Die ersten suchen Gott, damit er sie aus ihrem Unglück errettet, die anderen – um ihn zu loben, und ihre Dankbarkeit für die Gabe des Daseins zum Ausdruck zu bringen. Die große Theologie wächst aus dem zweiten Motiv heraus sie ist eine Theologie der Dankbarkeit.
  3. Gott ist wie Musik, die dich zum Tanz einlädt. Du musst niemals – du kannst immer. Wenn du jedoch kannst, weißt, dass du kannst – dann wählst du und beginnst zu verstehen. Das Christentum sagt deutlich: Suche Gott in dir selbst. Er ist wirklich dort!
  4. Die Seele ist eine Dimension, die die Stimme Gottes empfängt und zum Echo verwandelt.

Der Mensch und seine Hoffnung

  1. Wir müssen jetzt den Menschen besser, tiefer verstehen, nicht nur, weil er weiterhin ein unergründliches Geheimnis ist, sondern ebenfalls deshalb, damit die Welt, in der der Mensch lebt, nicht eines schönen Tages explodiert.
  2. Sogar wenn „der Mensch tot ist“, wie manche Strukturalisten behaupten, so bedeutet es, dass er existierte, und wenn er existierte, dann bedeutet es, dass er wieder neu geboren werden kann.
  3. Der Mensch ist ein solcher Baum, der das Gute in sich spürt, deshalb will er keine schlechten Früchte tragen.
  4. Wir müssen in diesem Leben vieles tun. Aber wir müssen nichts Böses tun. Selbst wenn uns eine Macht, eine Angst, dazu treibt, Böses zu tun, dann kann sie uns nicht dazu zwingen, dieses Böse zu wollen. Umso weniger kann sie uns dazu zwingen, beim Wollen des Bösen zu verharren. In jedem Moment können wir uns über unsere bösen Gedanken erheben und alles neu beginnen.

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